Sommerschnitt an Obstbäumen
Bei den Obstbaumschnittseminaren kommt immer wieder die Frage auf: soll ich meine Bäume im Winter oder im Sommer schneiden?“
Beides ist möglich, Winter- und Sommerschnitt haben nur ganz unterschiedliche Auswirkungen. Grob betrachtet regt Winterschnitt das Wachstum an und sorgt für reichlichen Neutrieb, auch „Wassertriebe“. Sommerschnitt beruhigt das Wachstum und führt zu vermehrtem Fruchtansatz. Es kann also sein, dass ich einen Teil meiner Bäume, (diejenigen mit zu wenig Wachstum) besser im Winter schneide und die anderen (jede Menge Laub, wenig Ertrag) im Sommer.
Winterschnitt findet in der vegetationslosen Zeit an frostfreien Tagen, Sommerschnitt ab Johanni bis etwa Ende August statt. Sauerkirsch-, Süßkirsch- und Pflaumenbäume werden grundsätzlich bei oder nach der Ernte geschnitten.
Einige Einzelheiten zum Sommerschnitt:
Die im Baum senkrecht stehenden sogenannten „Wassertriebe“ oder „Wasserschosse“ sind eigentlich ein Zeichen von Vitalität: der Baum reagiert auf Schnitt oder Beschädigung. Diese Steiltriebe werden im Sommer entfernt, auch als Nacharbeit zu einem Winterschnitt. Die im laufenden Jahr entstandenen Triebe können noch mit der Hand gerissen werden, ältere werden geschnitten. Das Reißen hat den Vorteil, dass die an der Triebbasis sitzenden schlafenden Augen („Holzknospen in Lauerstellung“) mit entfernt werden. Sie würden schnell an derselben Stelle neue Steiltriebe erzeugen.
Die beim Reißen, oder Schneiden beigebrachten Wunden kann der Baum in der Zeit von Juni bis August schnell abschotten und schließlich verheilen- ein weiterer Vorteil.
Erfahrene Baumschneider entfernen nicht alle Steiltriebe! Alles was im Kroneninneren und auf dem Starkholz steht, kann in der Regel weg. Sobald man sich aber dem Außenbereich nähert, sollte man überlegen, ob der Neutrieb nicht jetzt, oder im Folgejahr durch Aufleiten zur neuen, Astspitze umfunktioniert werden sollte (Bild).
Zum Bild: die mit gelben Pfeilen markierten Steher können weg. Die rot markierten bleiben. Ob alle bleiben, oder ein Teil, ist der „Handschrift“ des Obstbaumwartes überlassen. Orange zeigt die Stellen, an denen durch Entfernen des abwärts gerichteten Holzes aufgeleitet wurde. So werden weit ausladende Äste verkürzt und in einen günstigeren Winkel (über die Waagerechte) gebracht. Das verbessert Statik und Versorgung mit Nährstoffen. Die jungen Triebe (rot) werden fruchten, stärker werden, mehr fruchten und mit der Zeit selbst herabhängen. Aber dann stehen auf ihren Rücken bereits ihre Nachfolger! „Das Fruchtholz rotiert wie die Speichen eines Rades.“
Ein weiterer Vorteil des Sommerschnittes besteht darin, dass jetzt kranke und abgestorbene Baumteile gut erkannt werden können. Totholz und Bereiche mit Kümmerwuchs und krankhafter Laubfärbung sollten jetzt entfernt werden. Ausnahme sind Baumveteranen in Streuobstwiesen, denen man aus ökologischen Gründen Totholz und ausgehöhlte Partien belässt. Da in Punkto Verkehrs-sicherheit seit einiger Zeit Empfindlichkeiten herrschen, sollten solche Bäume nicht gerade an Wegen stehen. Auch die Statik der Altbäume kann durch geschickten Schnitt verbessert werden. Ausgewogene, nicht zu dichte Kronengestaltung, kompakte nicht zu lange Leitäste optimieren Stand- und Bruchsicherheit und verlängern das Leben der Baumveteranen.
Es besteht ein Unterschied zwischen der Pflege von Obstbäumen in einem Obstbaubetrieb und Obstgehölzen in Gärten und Streuobstwiesen. Im industriellen Obstbau wird ertragsorientiert geschnitten. Auf Aussehen und Lebensdauer der Gehölze braucht kaum Rücksicht genommen zu werden. Aus rationellen Gründen werden teilweise bereits Schnittmaschinen eingesetzt. Wenn die Bäume altersbedingt im Ertrag nachlassen, werden sie rechtzeitig gerodet und ersetzt. Pilzkrankheiten und Schädlinge werden durch Pflanzenschutzmittel beherrscht. Der einheimische Obstbau steht in einem schweren Konkurrenzkampf mit Obstimporten aus aller Welt.
Gartenbesitzer und Obstbaumwarte pflegen die Bäume, der Ertrag kommt dann schon!
Der richtige Schnitt sorgt durch günstige Stellung der Äste und Zweige so nebenher für den guten Ertrag. Direktes Schneiden auf Ertrag ist bei Sauerkirsche, Pfirsich und bei Spaliergehölzen üblich. Dabei sind wirklich am Spalier gezogene Gehölze gemeint. Schwach wachsende, frei (am Pfahl) stehende Bäumchen sind Busch- oder Spindelbäumchen.
Größere Obstbäume in Garten und Wiese sind heute mehr als nur Obstlieferanten, sie sind Gestaltungselemente der Landschaft und der Gärten und erfreuen uns zu jeder Jahreszeit. Die Baumpflege zielt von Anfang an auf einen Baum mit guter Statik, schönem Habitus und gesundem- ausgeglichenem Verhältnis zwischen Wachstum und Fruchten.
Wer weiß, vielleicht lohnt es sich doch, einmal ein Schnittseminar zu besuchen? Gartenbauvereine und
Biostationen bieten ständig welche an! Über unsere Homepage erreichen Sie beide.
Freude an Garten und Obstwiese wünscht
Helmut Herten Bild: Herten